By Stephen Hennessey from Murrieta, CA (C63 Black Series Pipes Uploaded by FAEP) [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons |
Faserverbundwerkstoffe gehören zu den außergewöhnlichsten Werkstoffen im Automobilbau. Sie sind leichter, steifer und weniger korrosionsanfällig als Metalle. Sie bestehen aus organischen oder anorganischen Fasern, die von einer Kunststoffmatrix umgeben sind. Dank ihrer einzigartigen Eigenschaften sind ihre Einsatzmöglichkeiten praktisch unbegrenzt. Weil ihre Herstellung im Moment aber sehr teuer ist, finden sie kaum Verwendung. Heute beschäftigen wir uns bei Autofieber mit Fasern und Matrizen, der Herstellung und Verwendung von Faserverbundwerstoffen und ihren jetzigen und zukünftigen Einsatzmöglichkeiten in der Automobilindustrie.
Fasern – endlose Möglichkeiten
Fasern bieten höhere Festigkeit als das selbe
Material in einer anderen Form. Ein Stahlseil aus vielen dünnen Fasern kann
größere Lasten tragen als eine Stange aus Stahl gleicher Dicke. Je dünner eine
Faser ist, desto größer ist ihre Festigkeit. Bei Fasern unterscheidet man
zwischen Kurzfasern (0,1mm), Langfasern (1-5mm) und Endlosfasern (ab 5cm).
Am häufigsten werden im Fahrzeugbau Endlosfasern von Glasfaser,
Kohlenstofffaser und Aramidfaser verwendet. Wenn ein Material zu einer Faser
gestreckt wird, bilden sich kristalline Strukturen, die eine hohe Stabilität
ermöglichen. Zudem begrenzt der geringe Durchmesser die Größe von
Lufteinschlüssen auf ein Minimum. Weniger Lufteinschlüsse bedeuten weniger
Stellen, an denen das Material versagen könnte. Die Vorteile der Fasern beruhen
also auf der Verminderung von Schwachstellen.
By Racingjeff (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons |
Die Rolle der Matrix
Matrix und Faser bilden ein unschlagbares Team.
Zusammen können sie größere Spannungen aufnehmen als die einzelnen Komponenten.
Die Aufgabe der Matrix ist es, die Fasern im Bauteil zu fixieren und bei
Belastung Kraft auf die Fasern zu übertragen. Dazu muss die Matrix biegsam
sein, ohne zu brechen. Der Fachausdruck hierfür lautet Duktilität. Sollte sie
bei Belastung vor den Fasern brechen, versagt das Bauteil. Des Weiteren schützt
sie die empfindlichen Fasern vor äußeren Einflüssen wie Sonnenstrahlung, Hitze
oder Kälte.
Die Matrix entscheidet über das Einsatzgebiet des
Faserverbundwerkstoffes. Sie muss beständig gegenüber sauren und basischen
Medien sein und UV-Strahlung aushalten können. Letzteres wird durch den Zusatz
von UV-absorbierenden Lacken erreicht. Man unterscheidet Matrizen in zwei
Gruppen: Thermoplastisch und duroplastisch. Thermoplastische Matrizen bleiben
auch nach der Verarbeitung formbar, besitzen aber eine geringe
Hitzeverträglichkeit. Bei zu hohen Temperaturen schmelzen sie. Duroplastische
Matrizen hingegen sind nach dem Erstarren nicht mehr formbar, haben aber einen
sehr hohen Temperatureinsatzbereich. Sie sind für den Fahrzeugbau besonders
geeignet.
Federleicht und bärenstark
Faserverbundwerkstoffe sind aufgrund ihrer geringen
Dichte ideal um Gewicht einzusparen. Während Aluminium 2,8g pro cm3 wiegt
und Stahl sogar 7,8g pro cm3, sind es bei
kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) nur 1,5g pro cm3. Trotz
der geringen Dichte ist die Steifigkeit auf höherem Niveau als bei Stahl. Das bedeutet,
dass der Werkstoff sehr widerstandsfähig gegenüber Verformung ist. Eine steife
Karosserie verformt sich nicht, wenn das Auto über eine unebene Straße fährt –
deshalb knarzen die Türen nicht. Zudem haben FVW eine hohe Schlagzähigkeit. Sie
brechen selbst dann nicht, wenn man mit einem Hammer darauf schlägt. Im Falle
eines Autounfalls brechen sie nicht auseinander und fangen die Wucht des
Aufpralles auf. Die Sicherheit der Passagiere ist gewährleistet. Diese beiden
Eigenschaften machen sie zum wichtigsten Werkstoff für Formel-1-Autos.
Eine weitere Besonderheit von
Faserverbundwerkstoffen sind ihre richtungsabhängigen Eigenschaften: Sie sind
sogenannte anisotrope Werkstoffe. Je nachdem wie die Fasern in der Matrix
verlegt werden, hat der Werkstoff unterschiedliche Eigenschaften. Wenn alle
Fasern parallel verlaufen spricht man von einem unidirektionalen Laminat. Es
ist in Faserrichtung hochbelastbar, kann bei Belastung aus einer anderen
Richtung aber leicht brechen. Wenn die Fasern in unterschiedliche Richtungen
zeigen, spricht man von einem multidirektionalen Laminat. Es ist in mehrere
Richtungen belastbar. FVW bieten sich deshalb vor allem dann an, wenn ein
Bauteil richtungsabhängig belastet wird.
Faserverbundwerkstoffe haben eine deutlich
geringere Wärmeausdehnung und Wärmeleitfähigkeit als Stahl oder Aluminium. Eine
Karosserie aus CKF isoliert die Insassen deutlich besser als eine aus Stahl.
Aufgrund der Kunstoffmatrix sind sie witterungsbeständig und wartungsarm. Ein
sehr großer Vorteil ist die geometrische Gestaltungsfreiheit. Da
Faserverbundwerkstoffe durch additive Fertigung entstehen, kann fast jede
erdenkliche Form geschaffen werden. Es ist möglich mit weniger Einzelteilen
auszukommen. Statt drei oder vier Teilen aus Metall bedarf es beispielsweise
nur einem Teil aus CFK. Diese Gestaltungsfreiheit ermöglicht es
strömungseffizientere Formen zu gestalten.
Ab in den Ofen
Typische Verstärkungsfasern bei Verbundwerkstoffen
sind Glasfaser (GFK), Kohlenstofffaser (CFK) und Aramidfaser (SFK). Sie werden
üblicherweise in Kunstharze eingebettet, zum Beispiel Polyester- oder
Epoxidharz. Die Fasern werden mit der flüssigen Kunststoffmatrix getränkt und
dann zur gewünschten Dicke aufgebaut. Das geschieht oft in Handarbeit. Danach
wird der Faser-Matrix-Verbund in einem sogenannten Autoklav ausgehärtet. Das
ist ein riesiger Ofen, in dem die Kunststoffmatrix unter Wärmeeinfluss eine
feste, dreidimensionale Struktur annimmt. Die chemischen Prozesse, die diesen
Vorgang steuern, heißen Polyaddition, Polymerisation und Polykondensation und
werden auch in der konventionellen Kunststoffherstellung verwendet. Allerdings
birgt die Herstellung auch Gefahren. Die Harze, die als Matrizen verwendet
werden, sind leicht entzündlich. Andere Zutaten bilden Dämpfe, die krebserregend
und explosiv sind.
Verwendung im Fahrzeugbau
Die Automobilindustrie setzt FVW aus verschiedenen
Gründen anstatt von Metallen ein. Aus den Verbundwerkstoffen lassen sich
Karosserieteile und Motorhauben, Dächer, Türen und Kofferraumdeckel herstellen.
Die geringere Masse verbessert Fahrverhalten und Beschleunigung und senkt den
Spritverbrauch. Verbundwerkstoffe helfen den Herstellern die immer strengeren
staatlichen Emissionsziele zu erreichen. Auch aus ökonomischer Sicht sind sie
nützlich: Ein Bauteil aus FVW kann viele Bauteile aus Metall ersetzten und
Kosten einsparen.
Das Monocoque eines Lamborghini Aventador aus CFK. Foto: Autofieber |
Die hohe Steifigkeit und Duktilität gewährleisten
bei einem Unfall die Sicherheit der Insassen. Da die Matrix der
Verbundwerkstoffe aus Kunststoff besteht, kann sie auch nicht rosten. Das ist
ein großer Vorteil, da selbst heutzutage noch viele Autohersteller mit
Korrosion zu kämpfen haben. Auch bei Elektroautos bietet sich der Einsatz von
FVW an. Aufgrund der schweren Akkus wiegen E-Autos deutlich mehr als
Verbrenner. Das Übergewicht hat viele negative Auswirkungen, senkt aber vor
allem die Reichweite des Fahrzeugs. Durch den Einsatz von FVW kann man bei
anderen Bauteilen wie Karosserie oder Motorhauben Gewicht einsparen. Weil dann
weniger Masse bewegt werden muss, steigt die Reichweite wieder.
Probleme
Das Potenzial der FVW ist noch lange nicht
ausgereizt. Bisher wird nur eine kleine Anzahl an Bauteilen aus FVW gefertigt,
wie zum Beispiel Karosserieteile oder Motorhauben. Aber auch kompliziertere
Teile im Antriebsstrang könnten aus Verbundwerkstoffen gefertigt werden. Auch
bei der Herstellung der Werkstoffe besteht noch hohes
Automatisierungspotenzial. Im Moment werden noch viele Arbeitsschritte von Hand
durchgeführt. Der Einsatz von entsprechenden Maschinen würde eine weitere
Kostensenkung ermöglichen. Fehlende Erfahrung im Umsatz mit FVW kann durch
intensivere Forschung kompensiert werden. Trotz all dieser Vorzüge gibt es Nachteile, die den
Einsatz in der Massenproduktion erschweren. Die größten Probleme sind die hohen
Rohstoff- und Produktionskosten. FVW sind um ein Vielfaches teurer als Stahl
oder Aluminium und werden deshalb nur in hochpreisigen Modellen eingesetzt. Im
Gegensatz zu Metallen sind sie auch kaum recyclebar.
Zusammenfassung
Faserverbundwerkstoffe sind leichter als Stahl oder
Aluminium, aber trotzdem besser für den Fahrzeugbau geeignet. Die hohe
Schlagzähigkeit bietet bei Unfällen besseren Schutz. Die geringe Dichte bei
hoher Steifigkeit macht leichtere Fahrzeuge möglich. Das senkt den
Spritverbrauch und verbessert das Handling. Sie können aufgrund ihrer
richtungsabhängigen Eigenschaften an den jeweiligen Verwendungszweck angepasst
werden und bieten obendrein vielfältige geometrische Gestaltungsmöglichkeiten.
Im Moment führen FVW ein Nieschen-Dasein, weil die Herstellung zu teuer ist.
Das ist allerdings ein durchaus lösbares Problem. Autos durch Reduzierung des
Gewichts umweltfreundlicher zu machen, ist eine bessere Lösung als
Abschaltvorrichtungen einzubauen.